Einfach mal zuhören

Lesezeit: 10 Minuten

Wie Zuhören unseren Projektalltag erleichtert


Neulich wieder im Projekt erlebt und meines Erachtens immer einen Reminder wert:
TALK LESS. LISTEN MORE.

Klingt erst einmal total passiv und einseitig. Doch dann fühlt es sich nach richtig viel Arbeit an, wenn wir uns in den Moment eines etwas raffinierteren Gespräches hineinversetzen und (vorerst) nur zuhören sollen. Wir merken: Zuhören erfordert immens viel Geduld, vor allem mit sich selbst. Zuhören erfordert das Aushalten von Gefühlen. Zuhören erfordert die Zäumung des eigenen Egos.


Die Frage will gefragt,
die Meinung geäußert,
die Interpretation gestartet werden.
JETZT!


Nein. Du musst (noch etwas) Durchhalten. So viele Fragen, Ideen, Ansichten und Erfahrungen zum Gehörten schwirren in deinem Kopf…analysieren, sortieren, verwerfen, schärfen. Du weißt, dass vorherige Gespräche, in denen du deinem inneren Drang, (vor)schnell zu antworten oder zu sprechen, nachgegangen bist, im weiteren Verlauf mühselig in eine konstruktive Richtung zu lenken waren. Also bleib‘ beim Speaker: Gib‘ ihr Zeit und Raum, sich selbst über das Gesagte klar zu werden, sich notfalls selbst zu korrigieren und ihre Worte als Anregung für sich selbst zu nutzen.

Der Moment fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Dein Ego bäumt sich ein paar Mal auf: „Wir haben doch keine Zeit für sowas!“. Die Ungeduld nagt an dir, deine Gefühle schwappen wie Wellen durch deinen Körper. Und auf einmal kommt eine Information, auf die du gewartet hast. Und dann der Gesprächs-Slot, der für DICH reserviert ist. Deine Weisheit klopft sich lächelnd auf die Schulter: „Hätten wir denn Zeit für Eskalation, Trotz und Verletzung und die daraus resultierende Kommunikationsschleife gehabt?“ Nein, hätten wir nicht. Well done, honey.

Weshalb sich Zuhören lohnt


Um die Vorteile des Zuhörens zu erkennen, müssen wir uns dem Sprechen widmen: Die Kognitive Verhaltenstherapie, Mentaltrainer und Co. gehen davon, dass Gedanken die Ausgangsbasis für unsere Gefühle und unser Verhalten sind. Über die Wortwahl, die Körperhaltung und Stimmlage erfahren wir als Zuhörerin also zwischen den gesprochenen Zeilen noch einiges mehr von unserem Gegenüber. Zudem werden beim Sprechen Denkprozesse aktiviert. Gedanken können organisiert, verknüpft und Assoziationen hergestellt werden. Unterbewusstes darf „hervordringen“.  Die Sprecherin wird, wenn sie die Möglichkeit hat, das Gesprochene – die übermittelten Informationen – überdenken und gegebenenfalls ergänzen oder revidieren. Aufkommende Fragen seitens der Zuhörerin werden so auch gleich wieder beantwortet.

Willst du also mehr über deinen Gesprächspartner erfahren, so lasse ihn sprechen.


Nur wer zuhört, wird…
…die richtigen Fragen stellen.
…die meisten Informationen erhalten.
…die Bedürfnisse und Motivation seiner Gesprächspartnerin erkennen.
…Vertrauen aufbauen und Beziehung vertiefen.
…sich selbst besser kennenlernen.

Die unterschiedlichen Arten des Zuhörens

Zuhören kommt der Arbeit eines Sommeliers gleich: Aus etwas Gegebenem (normalerweise der Wein) schmeckt der Sommelier die vielen Nuancen der Traube, ihre Herkunft, die Lagerung des Weines und sicher noch einiges Mehr heraus. Und wenn er einmal Lust darauf hat, einen guten Wein zu trinken, ohne ihn gedanklich zu sezieren, so wird er ihn einfach genießen und auf sich Wirken lassen. Er kann also mit dem Wein situativ unterschiedlich umgehen. Recht ähnlich verhält es sich mit dem Zuhören: Du kannst die Nuancen der Worte, ihre Betonung, ihre Lautstärke und Pausen, die zu dir vordringen, ausführlich wahrnehmen und erkunden. Oder du kannst Gesprochenes in voller Gegenwärtigkeit auf dich wirken lassen und deinem Gegenüber so den Raum geben, sich sprachlich zu entfalten.

But enough of the analogies, lass´ uns in die Vielseitigkeit des Zuhörens eintauchen!

Hier gebe ich dir eine Übersicht über die unterschiedlichen Arten des Zuhörens, wobei Paraphrasieren, empathisches Zuhören und Aktives Zuhören (nach C. Rogers und T. Gordon) zum Aktiven Zuhören zählen.

Stilles, präsentes Zuhören

Wie es der Name dieser Art Zuhörens schon vermuten lässt: Du hörst „nur“ zu und bist dabei völlig präsent. Deine volle Aufmerksamkeit ist auf dein Gegenüber gerichtet und du bist absolut Gegenwärtigkeit, das heißt du schweifst gedanklich nicht ab und lässt dich von der Umgebung nicht vom Gespräch ablenken. Nimm´ bewusst wahr, was dein Gegenüber sagt und versuche, dich in seine Lage zu versetzen. Ziel ist es, ein tieferes Verständnis für seine Gefühle, Ansichten und Bedürfnisse zu erhalten. Bringe durch nonverbale Signale (wie Blickkontakt, Mimik, Haltung) Offenheit, Respekt sowie dein Mitgefühl für ihn und dein Interesse am Gespräch zum Ausdruck. Durch stilles, präsentes Zuhören gibst du deinem Gegenüber die Möglichkeit, Gedanken laut zu formulieren und dadurch bei ihnen zu bleiben, in die Tiefe zu gehen und sie zu Ende zu denken.

Paraphrasieren

Beim Paraphrasieren hörst du aufmerksam zu und wiederholst wörtlich oder nicht-wörtlich – fasst zusammen – was du von deinem Gegenüber gehört hast. Ziel des Paraphrasierens ist es, deinem Gegenüber zu signalisieren, dass du sein Anliegen, seine Schilderung oder Meinung gehört bzw. wahrgenommen hast und ernst nimmst. Äußert dein Gegenüber auf deine Zusammenfassung ein „Ja, richtig.“, „Genau!“ oder ein ähnlich bestätigender Ausdruck, weißt du, dass du das Gehörte gut zusammengefasst und sich dein Gegenüber verstanden fühlt. Für eine hohe Wirksamkeit kannst du die Wiederholung bspw. einleiten mit:

  • „Wenn ich dich richtig verstanden habe,…“
  • „Es scheint mir, dass Sie vor allem…“
  • „Was ich bis jetzt heraushören konnte, war,…“
  • „Es ist Ihnen wichtig, dass…“
  • „Ich habe den Eindruck, für dich ist…“

Ebenso sinnvoll ist es, dass du dich nach deiner Wiederholung mit einer kurzen Frage („Habe ich dich/Sie richtig verstanden?“ oder einem „…, korrekt?“ zum Schluss) rückversicherst, ob du das Gehörte richtig wiedergegeben bzw. verstanden hast.

Auch hier ist deine Präsenz, Offenheit und dein Einfühlungsvermögen gefragt. Bringe deine Aufmerksamkeit und Empathie mit deiner Körperhaltung und Mimik zum Ausdruck.

Empathisches Zuhören

Meines Erachtens ist dies die Form des Zuhörens, die den meisten Mut erfordert. Denn wer spricht schon gerne die Gefühle und Bedürfnisse seines Gegenübers an? Genau das tun wir nämlich beim empathischen Zuhören – zu gegebener Zeit.

Beim empathischen Zuhören bist du wie beim stillen, präsenten Zuhören in voller Anteilnahme bei deinem Gegenüber und fühlst dich in ihr aktuelles Thema oder Problem ein. Und dabei gilt: Achte auf die Nuancen. Welche Worte, Phrasen oder Metaphern nutzt die Sprecherin, um ihre Gefühle und Bedürfnisse zu umschreiben? Wie ist ihre Stimmlage, die Betonung der Worte, die Pausen? Wenn sinnvoll und passend, sprichst du die wahrgenommenen Gefühle und Bedürfnisse an.

Hier ist es förderlich, wenn du dies – wie beim Paraphrasieren bereits beschrieben – mit einer Formulierung einleitest, die deinen Versuch, das Gesagte verstehen zu wollen, erkennbar macht. Dies kann als Frage formuliert werden, die Spielraum für ein „Nein“ lässt (orientiere dich hier an den Bespielsätzen unter „Paraphrasieren“). So hat dein Gegenüber die Möglichkeit, zu bejahen oder zu verneinen, möglicherweise zu korrigieren und ihre Gedanken und somit ihre Gefühle, Bedürfnisse oder Beweggründe umfänglicher auszusprechen. Und keine Angst vor einem „Nein“: Deine Aufmerksamkeit und Bemühung, dein Gegenüber verstehen zu wollen, werden wahrgenommen und eine „Fehlinterpretation“ wird in den seltensten Fällen „angezählt“.

Aktives Zuhören (nach C. Rogers und T. Gordon)

Aktives Zuhören wurde in seiner Grundform von Thomas Gordon im Auftrag und mit Unterstützung von Carl Rogers entwickelt. Letztgenannter ist für seine klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie sehr bekannt, die den Fokus im Gespräch auf den Sprechenden bzw. den Menschen – und nicht auf sein Problem – legt und sich dafür unter anderem des aktiven Zuhörens bedient.

Beim aktiven Zuhören nimmst du als Zuhörerin die Grundhaltung des stillen, präsenten Zuhörens ein und nutzt im Dialog eine erweiterte Form des Paraphrasierens, indem du das Gesagte (bzw. das Gehörte) mit deinen eigenen Worten wiedergibst.

Und so geht aktives Zuhören step-by-step:

Du bist als Zuhörerin gegenwärtig und bleibst offen bzw. im Verständnis und in der Anteilnahme. Dabei konzentrierst du dich mehr auf die Botschaft hinter dem Gesagten als auf den Inhalt, denn in der Alltagssprache nutzen wir häufig „kodierte“ Aussagen. Wir sind es nicht unbedingt gewohnt (und ab und zu fehlt schlichtweg das Vertrauen), unsere Bedürfnisse und Gefühle konkret zu artikulieren und umschreiben diese deshalb oftmals oder schildern stattdessen Situationen, Mängel oder Missstände. Diese kodierten Aussagen gilt es nun zu entschlüsseln: Filtere heraus, was zwischen den gesagten Zeilen steht, um diese im nächsten Schritt in deinem Part aufzugreifen und in deinen eigenen Worten zu wiederholen. Deinen Gesprächspart kannst du als Aussage oder als Frage gestalten. Wichtig ist jedoch, dass du auch hier deinen Gesprächspart mit einer Formulierung einleitest, die deinem Gegenüber die Hand zur Nachjustierung des von dir Verstandenen reicht. Hilfreiche Satzanfänge sind beispielsweise:

  • „Habe ich dich richtig verstanden,…?“
  • „Ich habe verstanden/von dir gehört…“
  • „Bei mir ist angekommen, …“
  • „Kann es sein, dass…?“
  • „Meinst du damit…?“

Gib deinem Gegenüber daraufhin Zeit und Raum, wiederum Stellung zu deiner Aussage zu beziehen und darauf aufbauend mit seiner Schilderung fortzufahren. Bringe dich erneut in das Gespräch ein, wenn sich für dich weitere neue Informationen oder Erkenntnisse offenbaren.

Der gestalterische Rahmen eines Gespräches

Hier noch ein paar Tipps für dich, wie du dem Gespräch einen angemessenen und unterstützenden Rahmen gibst:

  • Wähle eine Sitzposition, bei der ihr euch nicht frontal gegenüber sitzt wie in einem Verhör (vor allem bei unterschiedlichen Positionen in der Hierarchie), denn das fördert Befangenheit. Die Anordnung über die Ecke (im 90° Winkel) hat sich für ein vertrauensvolles Gespräch bewährt.
  • Wie bereits oben erwähnt, sollten auch längere Gesprächspausen ausgehalten werden.
  • Vorsicht vor all zu viel Ambition: Zu viele Fragen oder Rückmeldungen zu schnell gesetzt wirken eher wie ein Verhör und eine Analyse anstatt Mitgefühl und Interesse zu vermitteln.
  • Stelle Rapport her und achte auf das Wohlbefinden deines Gegenübers bei der Intensität des Blickkontaktes.
  • Achte auf eine der Art des Gespräches angemessene Umgebung.

In einer hektischen Projektwelt ist bewusstes Zuhören also eine wertvolle Fähigkeit, die uns dabei hilft, erfolgreiche Ergebnisse zu erzielen und ein positives Arbeitsumfeld zu schaffen. Durch Zuhören können wir nicht nur die Produktivität und Effizienz unseres Teams steigern, sondern auch das Vertrauen und die Zusammenarbeit verbessern.

Zuhören ist ein sinnvolles „Investment“: So zahlt sich meiner Meinung nach jede Minute des Zuhörens spätestens dann aus, wenn wird dadurch Kommunikationsschleifen und Konflikte vermeiden. Denn die kosten viel Zeit, Vertrauen und im schlechtesten Fall Qualitätseinbußen. Als Projektleitung oder Projektmitarbeitende sollten wir daher kontinuierlich an unserer Zuhörkompetenz arbeiten und den Wert des Zuhörens in unserem Projektalltag anerkennen.

…und was hat das Ganze mit einer Eule zu tun?!

Die Eule steht für Weisheit, Erleuchtung und intuitivem Wissen. Es gilt, jenseits von Täuschung und Illusion die Realität (die Wahrheit) zu erkennen. Im übertragenen Sinn bedeutet es, dass wir durch bewusstes Zuhören das Wahrhafte hinter dem Gesprochenen und den Worten erkennen und ein tieferes Verständnis der Zusammenhänge erlangen können. Oftmals spüren wir intuitiv etwas oder nehmen etwas unbewusst wahr. Beim Zuhören haben wir die Möglichkeit, unsere intuitiven Eingebungen gemeinsam mit unserem Gegenüber zu überprüfen und unsere Intuition zu schulen.

In dem Sinne: Do the owl. Be wise and just listen.