Pimp your communication: Wie Faszination den Wandel vorantreibt

Lesezeit: 8 Minuten

Faszination als door opener im Change nutzen

Hast du das Außergewöhnliche an dem Gebäude entdeckt?!

Heute stelle ich dir mit einer kurzen Geschichte aus meinem Alltag einen wahren „Türöffner“ vor, den du in deiner Change-Kommunikation und deinem Projektmarketing einbinden und damit das Interesse und die Begeisterung der Stakeholder für eine Veränderung wecken kannst. Ich möchte dir näherbringen, welche Wirkung Geschichten auf unsere Aufgeschlossenheit und unser Lernen haben können und wie du sie für euren Veränderungsprozess einsetzen kannst.

Ich freue mich, dir den door opener FASZINATION näher vorzustellen, doch vorher…

Die Story, die im Gedächtnis hängenbleibt

Ich habe die Tage an einer Stadtführung im wunderschönen Koblenz teilgenommen und unsere Route führte uns unter anderem an dem sehr sanierungsbedürftigen alten Kauf- und Tanzhaus vorbei: Ein baufälliges Gebäude mit OSB-Platten anstatt Fenstergläsern, einer industriellen Metalltür anstatt einer rustikalen Holztür, bröckelndem Putz und freigelegtem Gemäuer, welches heimelige Plätzchen für allerlei Unkraut bot.

Ich kann es nicht schönreden, der Anblick war erst einmal ernüchternd und rief Bedauern über den Zerfall sowie Verwunderung über die Stadt in mir hervor, weshalb diesem Gebäude nicht dieselbe Aufmerksamkeit und Pflege wie den anderen historischen Gebäuden zukommt.

Wie auch immer, meine bis dahin aufgebaute idyllische, atmosphärische Grundstimmung wollte ich mir dadurch auf jeden Fall nicht ruinieren lassen.

Der Stadtführer hätte mir alles zu diesem maroden, traurigen Gebäude erzählen können, es hätte mich angesichts meiner Ungeduld, die nun aufgrund des unbehaglichen und unspektakulären Anblickes einsetzte, nicht sonderlich interessiert und wäre wahrscheinlich schnell in Vergessenheit geraten. Wenn da nicht diese eine Außergewöhnlichkeit an dem Gebäude und die redegewandte, humorvolle Art des Stadtführers gewesen wären…

Auf einmal wird es interessant.

Ganz verheißungsvoll und mit einem Schmunzeln bittet uns der Stadtführer, doch einmal genauer hinzusehen und deutet auf die Uhr im Giebel des Gebäudes. Alle Augenpaar wandern gespannt hoch zur Uhr. Und Tatsache: Da ist ein in ein Blech geprägtes Gesicht, das uns soeben die Zunge herausgestreckt hat. Und nicht nur das, auch dessen Augen bewegen sich hin und her und hin und her…echt schräg. Echt faszinierend.

Mein anfangs schnödes Gefühl gegenüber dem Gebäude ist ad hoc verflogen. Stattdessen ruft diese Entdeckung Überraschung und Begeisterung in mir hervor. Und im nächsten Schritt Fragen. Was eine bemerkenswerte Installation! Was hat sich der Erbauer dabei gedacht? Wie geht das technisch? Ist das Gesicht ein reales Abbild?
Der Stadtführer nimmt die Vibes von uns Teilnehmenden wahr und geht, als könnte er Gedanken lesen, auf die in uns drängenden Fragen ein – verpackt in einer Geschichte, in der er uns auch gleich alle relevanten Eckdaten zu dem Gebäude mitliefert. Er hat unsere volle Aufmerksamkeit, wir lauschen interessiert seiner Geschichte.

Die Stadtführung ist nun 2 Wochen her. Und was soll ich sagen: Wenn ich an sie denke, kann ich mich vor allem an dieses Gebäude und seine Geschichte erinnern und habe dabei ein gutes Gefühl.

Analyse: Die Mechanismen im Hintergrund
Was ist da genau passiert?

Eine für uns uninteressante, möglicherweise unangenehme Sache ist erst einmal nicht sonderlich bemerkenswert. Sie besitzt jedoch ein Merkmal, dass uns fasziniert und welches unsere Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Jetzt ist die Sache BEMERKENswert. Unsere naturbedingte Neugierde und unser Entdeckergeist werden geweckt (Anm.: Evolutionspsychologisch betrachtet sichern Exploration und Neugier das Überleben). Dieser Prozess löst eine Reihe an Gefühlen – Überraschung, Irritation, Freude usw. – in uns aus. Dopamin wird freigesetzt, das Belohnungssystem in unserem Gehirn wird aktiviert und unser Entdeckungs- und Lernwille gepusht.


Auf Faszination folgen Aufmerksamkeit, emotionale Erregung, Neugierde, Lernmotivation und bestenfalls Bindung. Das sollten wir für unseren Change nutzen.

Der Stadtführer fungiert dabei als Moderator der Situation oder auch als unser „Entdeckungsguide“, indem er mit seiner Geschichte zu Merkmal und Sache – die er auf uns und unsere Bedürfnisse (seine Zielgruppe) abstimmt – unsere Aufmerksamkeit gezielt lenkt und diese als auch unseren Spannungsbogen bzw. unsere emotionale Erregung hoch hält. Das löst weiteres emotionales Erleben aus, Dopamin wird freigesetzt und fördert unsere Lernmotivation in diesem Moment. Zudem erfahren wir eine gewisse Konditionierung, nämlich die Verknüpfung der Sache bzw. ihrer Geschichte mit unseren Gefühlen. Die Sache ist in unserem Gehirn nun bestenfalls positiv besetzt, Erinnerungen daran lösen ein gutes Gefühl aus. Und das alles begann mit unserer Faszination.

Aspekte der Faszination, die wir uns im Change Management zunutze machen können

Psychologisch betrachtet wirkt Faszination auf mehreren Ebenen unseres Erlebens und Verhaltens. Diese Aspekte der Faszination kannst du in der Gestaltung der Change-Kommunikation berücksichtigen und damit den Veränderungsprozess positiv beeinflussen:

  • Fokussierung der Aufmerksamkeit
    Wenn wir fasziniert sind, konzentrieren wir uns intensiv auf das faszinierende Objekt oder die faszinierende Person, was dazu führen kann, dass wir andere Reize ausblenden.
  • Emotionale Erregung
    Faszination geht oft mit einer erhöhten emotionalen Erregung einher. Diese emotionalen Reaktionen können – sollten (!) in Bezug auf die Veränderung – sehr angenehm für uns sein. Richtig eingesetzt, sind wir so motivierter, mehr über die Veränderungsinhalte zu erfahren und sind diesen gegenüber aufgeschlossener.
  • Neugier und Lernmotivation
    Faszination weckt unsere Neugier und motiviert uns, mehr zu lernen. Wenn wir von etwas fasziniert sind, sind wir eher bereit, Zeit und Energie zu investieren, um mehr darüber zu erfahren. Dies kann zu einem besseren Verständnis der Veränderung bzw. Neuerungen beitragen.
  • Positive Verstärkung
    Wenn wir fasziniert sind und positive Erlebnisse machen, verstärkt dies unsere Motivation, ähnliche Erfahrungen oder Situationen zu suchen, die uns immer wieder faszinieren und erfüllen. Wir werden Veränderungen gegenüber generell aufgeschlossener und zuversichtlicher.
  • Soziale Bindung
    Wenn wir von den gleichen Dingen fasziniert sind wie andere, kann dies zu einer stärkeren sozialen Bindung führen. Durch das gemeinsame Erleben können Gespräche angeregt, Beziehungen vertieft und ein Gefühl der Zugehörigkeit geschaffen werden.
Voraussetzung und Einsatzmöglichkeiten

Wie du vielleicht schon herausgelesen hast, kann eine faszinierende Sache sowohl positive als auch negative Emotionen in uns hervorrufen. Werden negative Emotionen mit dieser Sache verknüpft, werden wir diese zukünftig meiden. Wird dieses Hilfsmittel im Change also unbedacht eingesetzt, kann es durch das Erlebnis negativer Gefühle wie bspw. Überforderung und Hilflosigkeit zur Aufrechterhaltung oder sogar zur Verstärkung von Widerstand gegen Veränderungsmaßnahmen kommen. Deshalb ist es notwendig, dass du deine Zielgruppe – deren Bedürfnisse, (digitalen) Kompetenzen, präferierte Ansprache usw. – kennst, die Kommunikation entsprechend gestaltest und angemessene Tools und Materialien zur Unterstützung wählst.

Wie kannst du die Aspekte der Faszination in deiner Kommunikation nutzen?

Vorweg: Jede Sache/Veränderung hat ein faszinierendes Merkmal bzw. interessanten Inhalt. Meist scheitert dessen Entdeckung durch die Zielgruppe einfach daran, dass die Perspektive der Zielgruppe in der Kommunikation keine Berücksichtigung findet. Auch deshalb ist es so wichtig, deine Zielgruppe zu kennen.

Du kannst den Türöffner Faszination beispielsweise bei der Gestaltung von

  • Präsentationen
  • Workshops
  • Corporate Blogs / Intranet
  • Videos
  • Webinaren
  • Social Media Content

nutzen und das Interesse sowie die Lernmotivation und Aufgeschlossenheit deiner Zielgruppe für die Veränderung fördern. Hier ein paar Anregungen, die du in den unterschiedlichen Formaten einbinden kannst:

  • Nutze für Präsentationen vielleicht einmal ein ganz anderes Format als die traditionelle Power Point
  • Lasse deine Zielgruppe einen Lerninhalt bzw. ein Merkmal selbst erarbeiten bzw. entdecken, anstatt diese „zu servieren“
  • Arbeite mit einer interessanten Geschichte, mit Gleichnissen oder Metaphern, um Inhalte zu vermitteln
  • Binde spannende Bilder, spielerische Elemente oder ein Quiz in deiner Kommunikation ein

Ein wenig Weisheit zum Schluss

Wir sollten uns mehr Zeit für Geschichten und Entdeckung nehmen. Natürlich sind wir durch Schule, Studium & Co. darauf trainiert, Wissensvermittlung in Textform und am besten mit Fachbegriffen zu gestalten. Aber vielleicht erinnerst du dich daran, wie staubtrocken und wenig eingängig die Inhalte dadurch ab und zu waren, was das Lernen sehr erschwerte (ich erinnere mich gut daran).

Gefühle und auch Bilder, die beim Entdecken und Zuhören in uns entstehen, fördern unser Lernen und festigen unsere Erinnerung an die erfahrenen Inhalte. Zudem werden – bestenfalls positive – Gefühle mit dem Gelernten verknüpft, sodass wir uns auch gerne daran erinnern.

Ich denke, wir brauchen hier Mut zum Umdenken: Weg von den „Anleitungen“ und hin zum aktiven Entdecken, welches ein nachhaltiges Lernen, höhere Akzeptanz und Aufgeschlossenheit unterstützt. Und ich denke wir müssen weiterhin unsere tradierte Einstellung hinterfragen, die Spiel und Spaß im Veränderungsprozess und beim Lernen in kleinen und mittelständischen Unternehmen oder der öffentlichen Verwaltung bisher eher verhinderten. Denn weshalb sollten nur „trendy Unternehmen“ die hilfreichen Erkenntnisse aus der Lernforschung und Psychologie sowie agile Methoden für sich nutzen und damit Spaß und Erfolg bei Arbeit und Veränderung haben?