Gewaltfreie Kommunikation im Change

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Die Gewaltfreie Kommunikation als Treiber für nachhaltige Unternehmensveränderungen


Meines Erachtens bietet kein anderer Ansatz einen ganzheitlicheren Leitfaden für eine förderliche Kommunikation im Change als die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg (GFK). Und deshalb widme ich ihr heute einen Artikel, um Ihnen die Grundzüge der GFK und ihre Vorteile für Ihr Unternehmen, vor allem bei der Umsetzung von Veränderungsvorhaben, näherzubringen.

Als langjährige GFKlerin und -Trainerin bin ich generell der Meinung, dass die GFK vor allem Führungskräften in ihrer Vorbildfunktion wichtige Impulse zur Gestaltung einer Kommunikation bzw. eines Miteinanders – ob nun im Change oder im Daily Business -vermittelt, die konstruktiv und gewinnbringend für das ganze Unternehmen ist.

Manche Leserin mag mit der Gewaltfreien Kommunikation hauptsächlich das „korrekte“ Formulieren von Fragen und Bitten in Verbindung bringen, doch tatsächlich ist die GFK soviel mehr als nur eine „Anleitung“ zur Verbalisierung. Wer die GFK vollumfänglich (kennen-)lernt, kommt um eine intensive Erfahrung der „Inneren Haltung“ der GFK nicht herum – dem Fundament, auf dem die äußerlich hör- und sichtbaren Praktiken aufbauen. Ehrlich gesprochen ist das Erlernen korrekter Formulierungen von Fragen, Bitten usw. ein Klacks gegen die andauernde mentale und seelische Auseinandersetzung mit sich selbst, die die Innere Haltung den GFK-Interessierten abverlangt.

Und genau dieser Punkt macht die GFK „verletzlich“ und lässt die große Möglichkeit, die sie bieten kann, zu einer ebenso großen Gefahr in der Kommunikation werden:
Wird die GFK auf die äußerlichen, antrainierten Praktiken reduziert, ist sie seelenlos und bleibt eine Phrase. Und erreicht damit im besten Fall nichts, im schlimmsten Fall eine Verstärkung des Widerstandes, zunehmende Verunsicherung oder einen Bruch in der Beziehung. Erst die Innere Haltung verleiht der Gewaltfreien Kommunikation Authentizität und Wirksamkeit und sie kann so Brücken bauen, Verbindung stärken und Beteiligte motivieren. Eben genau das, was im Change erreicht werden möchte.


Gewaltfreie Kommunikation ist Kongruenz
von Haltung und Handlung.
Das macht Veränderung erfolgreich und nachhaltig.


Im Vordergrund der GFK steht das Bestreben nach Kooperation und Verbindung, um Handlungsspielräume zu erweitern und konstruktiv zusammen zu arbeiten. Bedürfnissen und Gefühlen kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. „Ach herrje, wie kompliziert…“ denken Sie jetzt? Ist es, vor allem, wenn es um Veränderung geht. Denn genau diesen alles durchdringenden, subtilen und unberechenbaren Giganten begegnen wir in Veränderungsprozessen, die im Unternehmen stattfinden. Die Bedürfnisse und Gefühle der Betroffenen sind es, die die Mauern – die Widerstände – aufbauen und ebenso wieder abreißen können. Diese Giganten sind viel schwerer zu erfassen und zu managen als die bloße Programmierung und Installation einer neuen Applikation. Sie sind weit entfernt von der faktischen Ebene, bei Ihnen bewegen wir uns auf der psychologischen Ebene, der menschlichen Essenz. Behandeln wir sie so rational wie physische Elemente, werden wir so nie die Wirkung erreichen, die eine Veränderung wirklich voranbringt.

Weshalb sollten wir die GFK also nicht nutzen, um mehr Klarheit über und ein tieferes Verständnis für Bedürfnisse und Gefühle zu erlangen? Und zu lernen, wie wir dann gedeihlich mit diesen umgehen? Die GFK ist ein Ansatz, der seine Wirkung durch jede einzelne Veränderungsgestalterin auf die gesamte Transformation des Unternehmens entfaltet. Indem sie Kongruenz zwischen Handeln und Haltung herstellt, bekommen Botschaften im Change eine „Seele“ – sie werden authentisch.

Wie kann die Gewaltfreie Kommunikation Veränderungsprozesse unterstützen?


Kooperation und Verbindung – das Ansinnen der GFK – sind auch wesentliche Erfolgstreiber für Veränderungsprozesse, da so Ängste und Widerstände gegenüber Veränderungen abgebaut und Motivation und Engagement für den Veränderungsprozess gesteigert werden können. Werden die Innere Haltung als auch die Praktiken der GFK von Veränderungsgestalterinnen authentisch (vor-)gelebt, können die Bedürfnisse und Gefühle der, von der Veränderung betroffenen Mitarbeitenden schneller wahrgenommen und berücksichtigt werden. Das hat eine gezielte, empathische Kommunikation zur Folge, die auf allen Seiten Verständnis und Vertrauen fördert. Ganz konkret kann die Gewaltfreie Kommunikation in folgenden Bereichen positiv wirken:

Sie fördert Empathie und Verständnis

Die GFK ermutigt dazu, die Perspektiven und Gefühle aller Betroffenen zu berücksichtigen und unterstützt dabei, die zugrunde liegenden Bedürfnisse hinter bestimmten Emotionen und Handlungen zu identifizieren.

Sie trägt zu einer konstruktiven Kommunikation bei

Sie lehrt, klar und präzise zu kommunizieren, was in Veränderungsprozessen entscheidend ist, um Missverständnisse zu vermeiden und sicherzustellen, dass alle Beteiligten die Veränderungen verstehen. Sie fördert konstruktives Feedback: Anstatt Kritik zu üben, wie dies in herkömmlichen Kommunikationsmustern häufig der Fall ist, legt die GFK den Fokus auf konstruktive Rückmeldungen, die auf Beobachtungen, Gefühlen, Bedürfnissen und Bitten basieren. Dies kann die Akzeptanz von Veränderungen erhöhen.

Sie unterstützt Konfliktlösung

Veränderungen rufen immer auch Spannungen und Konflikte hervor. Die GFK bietet Werkzeuge zur Deeskalation und hilft, Konflikte in eine positive Richtung zu lenken.
Durch den Fokus auf gemeinsame Bedürfnisse und Interessen fördert die GFK die Erarbeitung von Lösungen, die von allen Beteiligten mitgetragen werden können.

Sie bringt Motivation und Engagement mit sich

GFK-Führungskräfte wollen die Bedürfnisse und Gefühle ihrer Mitarbeitenden verstehen und sind diesen gegenüber wohlwollend und kooperativ eingestellt. Durch diese Bereitschaft bzw. Haltung erfahren Mitarbeitenden, dass ihre Anliegen ernst genommen werden. Dadurch kann ihre Motivation und ihr Engagement für den Veränderungsprozess gesteigert werden.

Sie stärkt Führungskompetenzen

Die GFK kann Führungskräften helfen, ihre Kommunikationsfähigkeit zu verbessern, was sie in die Lage versetzt, Veränderungen effektiver zu leiten und die Zusammenarbeit im Team zu fördern. Zudem schult die GFK die Selbstreflexion.

Sie fördert eine positive Unternehmenskultur

Generell kann die GFK die Unternehmenskultur positiv mitgestalten, da sie eine klare, transparente Kommunikation und ein achtsames Miteinander fördert sowie das Vertrauen und den Respekt unter den Mitarbeitenden stärkt.

Das sollten Sie bei der Einbindung von GFK beachten

Die Einbindung der Gewaltfreien Kommunikation braucht vor allem Geduld und erfordert einen konstruktiven Umgang mit Fehlern – vom Individuum wie in der Gruppe. Die GFK ist eine Lebenseinstellung, würde ich einmal behaupten, und diese verinnerlichen Sie nicht über Nacht. Toxisch wird es – so habe ich es als externe Beraterin in Unternehmen selbst erfahren – wenn sich Führungskräfte und Mitarbeitende zu sehr auf die korrekte Verbalisierung konzentrieren (ich hatte es anfangs erwähnt) und die Innere Haltung dabei vernachlässigen. Dann wird GFK zum „Krampf“ und zum selbstzerstörerischen Teufelskreis, wenn sich jemand einmal nicht „GFK-konform“ äußert und deshalb kritisiert wird. Nichtsdestotrotz ist auch hier die positive Absicht immer wertzuschätzen. Meiner Erfahrung nach erfordert die Verinnerlichung der Inneren Haltung die höchste und umfassendste Aufmerksamkeit. Selbst wenn in dieser Haltung auf verbaler Ebene noch nicht GFK-konform kommuniziert wird, so ist die unterschwellige Wirksamkeit dieser Haltung auf den anderen Ebenen der Kommunikation durchaus machtvoll und die verbale Unvollkommenheit bleibt unentdeckt oder wird eher verziehen.

Zudem ist es förderlich, eine Gruppe von mehreren einflussreichen Führungskräften oder Angestellten mit der Gewaltfreien Kommunikation vertraut zu machen. Diese können vorerst in der Sicherheit der Gruppe praktizieren und so ausreichend (Selbst-)Erfahrung sammeln, zum anderen wird dies die Zusammenarbeit (im Change) positiv beeinflussen und eine stimmige Kommunikation nach außen sicherstellen.


Die Gewaltfreie Kommunikation kann also eine Schlüsselrolle im Change spielen, um Widerstände zu überwinden, indem die Ängste und Anliegen der Mitarbeitenden im Veränderungsprozess empathisch wahrgenommen und berücksichtigt werden. Sie kann dazu beitragen, Veränderung nicht als Bedrohung, sondern als Chance für persönliches und gemeinsames Wachstum zu sehen.

Die GFK unterstützt darüber hinaus die Entwicklung einer positiven Unternehmenskultur, in der Vertrauen, Respekt und Offenheit zentrale Werte sind. Eine solche Kultur ist besonders in Zeiten des Wandels von unschätzbarem Wert, da sie die Resilienz des Unternehmens stärken kann und es diesem ermöglicht, flexibel und agil auf Herausforderungen zu reagieren.

…und wie passen eine Giraffe und eine Hängebrücke dazu?

Marshall B. Rosenberg wählte die Giraffe als Symbol für eine einfühlsame, verbindende Kommunikation und Kooperation in der Gewaltfreien Kommunikation. Damit verkörpert die Giraffe die zuvor erwähnte „Innere Haltung“. Der Gegensatz, welcher Überlegenheit, Dominanz und Rechthaberei in sich trägt, wird in der GFK übrigens durch einen Wolf (ursprünglich ein Schakal) dargestellt. Die Giraffe mit ihrem wirklich leistungsstarken Herzen steht für Wohlwollen, Einfühlung und Eigenverantwortung und wird in der GFK als Metapher für die Art und Weise genutzt, wie Menschen einander wahrnehmen, zuhören und miteinander sprechen sollten: Mit einem offenen Herzen, Verständnis und der Bereitschaft, gemeinsam neue Strategien zu entwickeln, um die beiderseitigen Bedürfnisse durch Kooperation zu erfüllen. Und wenn eine Giraffe über ein Hängebrücke läuft, so verbildlicht dies den Balanceakt zwischen der Inneren Haltung und der GFK-Praxis sowie den herausfordernden Veränderungsprozess vom Alten zum Neuen, der sicherlich auch manchmal den Mut in der Größe einer Giraffe erfordert.